Dies ist die Originalseite des Entdeckers und Entwicklers der Quantum Logic Medicine
Prof. Dr. med. Walter Köster

Hahnemann ohne Denkmodell?

Dieser Vortrag war ein Poster auf dem 48. Kongress der LIGA MEDICORUM HOMOEOPATHICA INTERNATIONALIS in Wien 1993.
Die Zusammenfassung habe ich auf nacheinander auf Deutsch, Englisch und Spanisch gehalten, da es bei Postern keine Simultanübersetzung gab. Der Inhalt wurde dreisprachig als Poster ausgehängt. Die hier gezeigte Version wurde 2009 sprachlich überarbeitet.

Zusammenfassung:
Hahnemann gilt als Pragmatiker. So wird ihm vielfach ein Theorem abgesprochen. Bei genauer Analyse zeigt sich jedoch am Beispiel der Dynamis, dass Hahnemann Theorien keineswegs grundsätzlich als übersinnliche Ergrübelungen abtat, sondern sich vielmehr gezielt von solchen Theorien distanzierte, die nicht auf Erfahrungswissen gründeten. Ganz im Gegenteil entwickelte er aufgrund seiner eigenen Erfahrungsprämissen selbst etwas, das wir heute wissenschaftlich als Denkmodell bezeichnen würden. Er legte dar, dass die Dynamis am ehesten dem physikalischen Denkmodell des Feldes entsprechen dürfte.

Text:
Der Homöopathie wird allgemein eine phänomenologische Denk- und Vorgehensweise zugeschrieben. Dies wird mancherorts so verstanden, dass Hahnemann lediglich Fakten festgestellt habe ohne jegliches Hinterdenken. Eine abstrakte Vorstellung, wie die Homöopathie funktioniert, wird in der Regel mit dem Hinweis auf Hahnemanns Feststellung blockiert, „er kenne die Nichtigkeit übersinnlicher Ergrübelungen, die sich in der Erfahrung nicht nachweisen lassen…“ (1). Auch der §28 des „Organon der Heilkunst“ wird herangezogen. Hahnemann dort wörtlich: „… so kommt es auf die scientifische Erklärung, wie dies zugehe, wenig an, und ich setze wenig Wert darauf, dergleichen zu versuchen… (2).

Dabei wird jedoch übersehen, dass Hahnemann gerade an dieser Stelle anhebt, ein Denkmodell zu entwickeln. Er lehnt eben nur Modelle ab, die nicht auf Erfahrung gründen. Die Fortsetzung des §28 lautet nämlich: „Doch bewährt sich die folgende Ansicht als die wahrscheinlichste, da sie auf lauter Erfahrungsprämissen gründet.“ (2). Und tatsächlich entwickelt Hahnemann im Folgenden ein abstraktes Denkmodell der Dynamis.

Aus Hahnemanns Sicht ist die Krankheit primär nicht als etwas vom Organismus getrenntes zu betrachten (3), nicht als ein Störfaktor, der einfach nur wegzunehmen sei. Krankheit besteht aus seiner Perspektive vielmehr zu allererst als ein „nach außen reflektierendes Bild des inneren Wesens der Krankheit, das ist des Leidens der Lebenskraft“ (4). Erst dadurch komme es zu „regelwidrigen Tätigkeiten des Organismus, die wir Krankheit nennen“ (5), die „zugleich alle inneren Veränderung, das ist, die ganze krankhafte Verstimmung der innern Dynamis ausdrückt“ (6).

Anders ausgedrückt: Etwas im Kranken scheint „defekt“ zu sein und daraus resultiert offensichtlich erst sekundär die Möglichkeit – oder genauer höhere Wahrscheinlichkeit – des Infektes oder der eigentlich greifbaren Störung (11). Dieses Denkmodell findet sich übrigens auch bei dem chinesischen Gelben Kaiser HOANG TI (7), dem Vater der Akupunktur, und bei LAOTSE (8). Diese hintergründige prima causa der Krankheit innerhalb des Organismus bezeichnet Hahnemann als Verstimmung der Kraft des Lebens (9). Dieser Lebenskraft gibt er den Namen „Dynamis“ (10). Deren Verstimmung ist folglich als einzige Ursache zu behandeln (6), nicht etwa beispielsweise der Infekt als dessen offensichtlich bloße Folge (11).

Vielleicht möchte mancher sich zunächst in der Konfrontation mit primär so unbegründet erscheinenden hypothetischen Begriffen wie der Lebenskraft „Dynamis“ und ihrer Verstimmung enttäuscht abwenden. Doch wendet Hahnemann hier ein die heutige Wissenschaft geradezu kennzeichnendes Verfahren an. Wenn er bewusst von einer wahrscheinlichsten Ansicht spricht, die sich auf lauter Erfahrungsprämissen gründe (2), beschreibt er schlichtweg das, was wir heute als ein Denkmodell bezeichnen (12). Warum ein neues Denkmodell? Das liegt auf der Hand. Aus der Sicht des geltenden Denkmodells oder Theorems ist der unübersehbare Erfolg der Homöopathie schlichtweg unerklärlich und äußerst überraschend. Ein solcher Tatbestand fordert einem unvoreingenommenen Beobachter eine Änderung eben jenes Theorems und damit ein neues Denkmodell ab, um die Homöopathie verstehen und erklären zu können.

Wie aber sah Hahnemanns Modell aus? Es entspricht Hahnemanns akribischer Einstellung zu versuchen, den Begriff der Lebenskraft oder Dynamis noch exakter zu definieren. Er hat dies erst in der letzten, der 6. Auflage des „Organon der Heilkunst“ in einer langen Anmerkung zum §11 (13) vorgenommen. Dort fordert er, sich die Dynamis analog einer anderen Kraft vorzustellen. Damit konstruiert er ein Denkmodell! Er vergleicht sie mit dem Vorgang, „dass unsere Erde durch eine heimliche, unsichtbare Kraft ihren Mond in 28 Tagen und etlichen Stunden um sich herumführt“ sowie der Beobachtung, „wie dagegen der Mond unsere nördlichen Meere abwechselnd in festgesetzten Stunden zur Flut erhebt und in gleichen Stunden wieder zur Ebbe sinken lässt (einige Verschiedenheit beim Voll- und Neumond abgerechnet)“ (13). Diese Beispiele zeigen, wie eindeutig physikalisch erfassbar Hahnemann die Dynamis oder Lebenskraft sah.

Er definierte sie als eine Kraft oder Wechselwirkung, die analog der Kraft von der Erde auf den Mond wirkt und dabei „heimlich, unsichtbar“ (13) ist. Eineinhalb Jahrhunderte später ist die Kraft der Erde auf den Mond immer noch so „heimlich, unsichtbar“, doch hat sie im Rahmen der wissenschaftlichen Evolution einen physikalischen Namen und eine exaktere Fassbarkeit erhalten. Einstein hat im Jahre 1956 in der Darlegung der „Evolution der Physik“ dieser unsichtbaren Kraft ein ganzes Kapitel gewidmet (14). Dort zeichnet er sie schematisch und spricht von hypothetischen Kraftlinien des Schwerefeldes. „Wir nehmen diese Bezeichnung vorläufig hin“, schreibt er weiter, „ohne länger dabei zu verweilen, doch hat die Skizze eine Eigenheit, auf die wir später noch zurückkommen werden. Die Kraftlinien können nämlich im leeren Raum konstruiert werden, ohne dass Materie vorhanden zu sein braucht, und vorläufig zeigen sie alle – oder wie man auch sagen kann – zeigt das Feld lediglich an, wie sich ein Prüfkörper verhalten würde, den man in die Nähe der Kugel brächte, deren Feld wir konstruieren“ (15). Wie um nochmals zu betonen, dass es sich dabei um eine künstliche Konstruktion, um ein Modell der Wirklichkeit handelte, spricht er von einer „Darstellungsform“(15) und einer „Felddarstellung“ (16).

Es ist damit eine unübersehbare Tatsache, dass Hahnemann die Dynamis in unserer heutigen Sprache eindeutig in jener Wechselwirkung definiert sah, die wir heute mit dem Denkmodell des Feldes zu erklären versuchen – welcher Art auch immer! Der Begriff des „Feldes“ bedeutet, dass ein zeitlicher Zusammenhang gefunden werden kann zwischen mehreren dadurch synchronen Vorgängen, ohne dass man ihn beispielsweise mechanistisch irgendwie erklären könnte und – „ohne dass Materie vorhanden zu sein braucht“ (15). Bis heute hat noch niemand ein Gravitations-, ein elektromagnetisches oder irgendein anderes Feld gesehen. Es zeigt als Hypothese lediglich an, wie sich ein auf es reagierender Körper, ein sogenannter Prüfkörper, an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt verhalten würde (15). Stets wurden nur seine Auswirkungen, seine Wechselwirkungen gemessen und daher auf seine Existenz geschlossen. Die Art der Kraftübertragung ist für uns, auch für die moderne Physik, weiterhin „heimlich, unsichtbar“ (13), ganz im Gegensatz zu jener der Krafteinwirkung beispielsweise eines mechanischen Hebels auf einen anderen; nur machen wir uns dies selten bewusst. Dennoch verlassen wir uns in der Technik auf die exakten Funktionen eines solchen Feldes, man denke nur an die Kommunikation mit Raumfähren und Flugzeugen. Wir scheinen uns allgemein daran gewöhnt zu haben, mit unsichtbaren, nur hypothetischen Kräften zu arbeiten und sogar unsere Lebenssicherheit davon abhängig zu machen. Durch den Gebrauch von Radio oder Fernseher registrieren wir unentwegt Veränderungen von Feldern. Wir haben uns in den Wissenschaften wie im Alltag mit diesem hypothetischen Denkmodell angefreundet und sind bereit, Felder als tatsächlich existent anzunehmen, da sie, obwohl sie selbst als völlig unfassbar, „geistig“ und „heimlich“ erscheinen, exakte Auswirkungen in der Realität zeigen. Dazu Hahnemann: „Ist es denn unserm, als so reich an aufgeklärten und denkenden Köpfen gerühmten Zeitalter so ganz unmöglich, dynamische Kraft als etwas Unkörperliches zu denken, da man doch täglich Erscheinungen sieht, die sich nicht auf andere Weise erklären lassen!“ (13)

Denkmodelle fungieren als freie und variable Bindeglieder zwischen Wahrnehmung (angenommener Realität) und gängigen Vorstellungen. Es sollte uns heute wohl eher noch leichter als zu Hahnemanns Zeiten fallen, uns mit Hahnemanns Feldhypothese der Dynamis anzufreunden, vor allem, da wir ihre greifbare Realität in der täglichen Therapie erfahren.

Quellen:
(1) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, § 6 , 6. Auflage, Haug Verlag, Heidelberg
(2) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst,, § 28, op.cit.
(3) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, § 13, op.cit.
(4) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, § 7, op.cit
(5) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, § 11, op.cit
(6) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, § 12, op.cit
(7) Nguyen van Nghi, Hoang Ti Nei King So Ouen, Medizinisch Literarische Verlagsgesellschaft, Uelzen, 1977, Band 1, 1. Buch, 1. Kapitel, r 2, 5;
Band 1, 2. Buch, 5. Kapitel, D 18, 3.
(8) LaoTse, Tao-Te-King, Kap. 50, S. 79, Reclam erlag, 1979
(9) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, 11, 12, op.cit
(10) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, 9, 12, op.cit
(11) Walter Köster, Hahnemann und CG Jung – ein Denkmodell der Homöopathie, S. 9 ff, Haug Verlag 1992, Heidelberg
(12) Walter Köster, Hahnemann und CG Jung – ein Denkmodell der Homöopathie, S. 9 ff, Haug Verlag 1992, Heidelberg
(13) Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, Anmerkung zu p 11, Seite 69, op.cit.
(14) Albert Einstein, Leopold Infeld, Die Evolution der Physik, Rowohlt Taschenbuch-Verlag, S. 116-123. Tausend, Dezember 1970, Seite 86 ff.
(15) Albert Einstein, Leopold Infeld, op. Cit, S. 86, 3. Absatz
(16) Albert Einstein, Leopold Infeld, op.cit, S. 8779

 

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„Als die formende Kraft, die aus der ungeordneten Flüssigkeit plötzlich Kristalle schafft, erkennen wir die mathematische Struktur … der Schrödingerschen Wellengleichung… Selbst die vollständige Kenntnis des atomaren Zustandes würde nämlich nicht gestatten, die genaue Gestalt des Kristalls vorauszuberechnen. … Der einzelne Kristall verdankt seine Bildung zum Teil einem nicht weiter analysierbaren Element des Zufalls.“
Werner Heisenberg (65)