Dies ist die Originalseite des Entdeckers und Entwicklers der Quantum Logic Medicine
Prof. Dr. med. Walter Köster

Akupunktur – Schisma zwischen Theorie und Anwendung

Die Akupunktur wissenschaftlich zu fassen ist gewiss ein schwieriges Unterfangen. Einerseits erscheinen ihre meist blumig formulierten Regeln leicht befremdlich, und angesichts der Technik des Nadelns und der Wahl der Punkte fällt es manchem Mediziner schwer, irgendwelche wissenschaftliche Anknüpfungspunkte zu finden. Auf der anderen Seite aber wird die Akupunktur in nahezu allen Schmerzzentren Deutschlands angewandt, und unlängst wurde eine Analogziffer für ihre Anwendung in die „Ärztliche Gebührenordnung“ eingeführt.

Wo wird deutlicher, welches Spannungsfeld sich zwischen tatsächlicher Anwendung der Akupunktur und ihrer theoretischen Verarbeitung auftut? Dieser Widerspruch wird den Arzt, der sich mit diesen fremdartigen Vorstellungen der Alten Chinesen beschäftigt, noch tiefer treffen, sobald er sie in seiner Praxis als überraschend realitätsnah erfährt und faktisch umsetzt. Schließlich ist er ein ausgebildeter Schulmediziner und sieht doch in seiner täglichen Arbeit Therapieformen bestätigt, deren Theorem seiner eigenen Wissenschaft obsolet erscheint.

Worin mag diese Schwierigkeit gründen? Auf den ersten Blick lassen sich die von der Akupunktur vorgegebene Deutungen wie die Meridiane wissenschaftlich nicht annehmen, was zur Ablehnung dieser Denkmodelle führt. Wenn sie dennoch medizinisch angewandt werden oder deren Technik zumindest auf Teilgebieten offenkundig für vollziehbar gehalten wird, entsteht zwingend eine Erklärungsnot. Die Problematik kann natürlicherweise in der wissenschaftlichen Schwäche der Modelle liegen, aber ebenso in unseren wissenschaftlichen Denkansätzen, die uns vielleicht schon im Grundsatz falsch einschränken.

Aus diesem Spannungsfeld ziehen sich nicht wenige der Kollegen, die in der Praxis solche Techniken anwenden, in eine Art Wissenschaftsnihilismus zurück, der auch phobische Züge annehmen kann. Sie fühlen sich schon aus zeitlichen Gründen nicht imstande, eine vorgegebene Lehrmeinung erfolgreich zu beeinflussen. Dennoch wenden sie diese Techniken in der Praxis an, die sie mit ihrem wissenschaftlichen Theorem nicht erklären können, und spalten damit ihr berufliches Sein in Theorie und Praxis auf. Mehr esoterische Versuche, die Brücken schlagen sollen, werden ihnen dabei kaum zu einer Aufhebung dieses gespaltenen Seins verhelfen.

Ein Beobachter des Geschehens wird sich fragen, warum es offenkundig so schwierig sein mag, die sich aus der Praxis ergebende Notwendigkeit einer theoretischen Fusion der verschiedenen Theoreme zu vollziehen. Wo genau entsteht die hemmende Problematik?

Sicherlich liegt sie auch im wissenschaftstheoretischen Bereich. Schließlich ist die Medizin eine angewandte Wissenschaft. Sie unterliegt damit einem ganz anderen Erfolgsdruck als beispielsweise die Theoretische Physik, die es gelernt hat, mit Theorien zu leben, die im Alltag abstrus erscheinen und sich dennoch bewähren, man denke nur an die „Relativität der Zeit“. In der Medizin hingegen haben wir es mit einem Gegenüber zu tun, einem Mitmenschen, der nicht primär Theorie oder statistische Wahrscheinlichkeit fordert, sondern uns Ärzte direkt mit dem wissenschaftlich unmöglichen Postulat der gewissen Heilung konfrontiert. Wen mag es da verwundern, dass gerade wir Mediziner ein möglichst gewisses und stabiles, damit aber auch starres Theorem eingeführt haben? Wenn wir Mediziner von Wissenschaft sprechen, meinen wir in der Regel Naturwissenschaft, und von dieser möglichst nur jene Aspekte, die wie die Mechanik mit ihren beeindrucken klaren Regeln locken, weil sie eherne Sicherheit versprechen. Wir unterliegen allzu gerne dem von Carl Friedrich von Weizsäcker so beeindruckend und kritisch dargelegten Paradigma, das heißt dem nicht weiter hinterfragten Glauben, dass unser Objekt, der Mensch, sich zweifelsohne mathematisch fassen lassen müsse.

Ein Außenstehender hingegen wird feststellen, dass gerade die Naturwissenschaft jene Gewissheit, die sie uns Medizinern vermeintlich gebührt, längst als Illusion verlassen hat. Wer wagte dort, ein so multifaktorielles oder „chaotisches System“ wie den Menschen durch Reduktion auf einzelne chemische Schritte zu erklären? Gerade die Mathematiker wissen heute um die Grenzen ihrer Zunft, betonen, keineswegs halte die Mathematik die Lösung aller Rätsel parat. Sollten wir päpstlicher sein als der Papst?

Aber warum den Propheten so fernab des eigenen Landes suchen? Versuche, unser eigenes ärztliches Tun mit den zitierten mechanistisch-naturwissenschaftlichen Vorgaben zu erklären, scheitern spätestens dann, wenn wir beispielsweise die zunehmend auch in allgemeine Krankheitsgebiete involvierte Psychologie ins Auge fassen. Mathematische Anwendungen erscheinen hier im Moment höchstens in Form abgehobener Gedankenspiele möglich, doch wer wollte ihr deshalb heute noch die Wissenschaftlichkeit absprechen oder sie gar aus der Medizin ausschließen? Sie führt uns noch weiter. Bekanntlich scheiterte Freuds kausaler Ansatz nicht nur einmal, was Jung bewog, primär eine der Psyche innewohnende Tendenz zu postulieren, die sich nachfolgend erst an der causa verwirklichte. Mit dieser Jung’schen Tendenz sind wir aber schon ganz nahe an dem, was die Alten Chinesen vermutlich mit den Meridianen zu beschreiben versuchten.

Wo wollten wir nun die Grenzen ziehen? Ist das in diesem Heft dargestellte chinesische Denken wirklich so ganz unvereinbar mit dem unseren? Müssen wir auch C. G. Jung aus der Medizin ausklammern, weil er dem Denken der mechanistischen Naturwissenschaft, wie wir Mediziner sie verstehen, so fern steht? Aber war sich ein Nobelpreisträger Wolfgang Pauli zu schade, mit Jung gemeinsam zu veröffentlichen? Negieren wir vielleicht die ganze Psychologie, nur weil sie den doppelblinden Studien nicht genügt? Bleiben Träume Fakten, oder verwerfen wir sie als Nichtexistenzen nur wegen ihrer doppelblinden Unreproduzierbarkeit?

Es drängt sich der Eindruck auf, dass wir Mediziner uns theoretisch mehr begrenzen, als wir es faktisch durchhalten können. Mancher mag dies mit Wehmut feststellen. Doch warum sollte es uns anders ergehen als unseren vielberufenen Vorbildern in den Naturwissenschaften? Wer Aussagen aus der Zeit eines Max Planck liest, fühlt sich in eine analoge Situation versetzt. Zum einen trifft man auf Plancks Enttäuschung über die natürliche und, wie Thomas S. Kuhn gezeigt hat, notwendige Starrheit wissenschaftlicher Theoreme. Dabei spürt man förmlich die daraus erwachsende Abneigung vieler seiner Kollegen, das so schön eingegrenzte und überschaubare Gebiet zu verlassen, und damit deren Verlustgefühl.

Betrachten wir den Fortgang in der Physik, so dürfen wir uns der unguten Gefühle getrost entledigen. Es scheint dann einen Zusammenhang zu geben zwischen dem Mut, scheinbar unvereinbare, aber sich in der Praxis bewährende Methoden mit fremdartigem Denkraster auch theoretisch anzugehen und dem wissenschaftlichen Fortschritt. Wir könnten andernfalls leicht zunehmend in eine Spagathaltung geraten, die sowohl unser Tun als auch unser Wissen hemmen könnte.

Gerade in der Psychologie, die ein neues wissenschaftliches Element in die Medizin, eingeführt hat, scheinen sich Schlüssel dafür finden, zu lassen, die Notlage dieses Schismas zwischen Tun und Denken zu beheben. Gewiss, es gibt viele Unklarheiten – auf allen Seiten. Aber sollte dies ein Grund sein, wissenschaftlich zu schweigen? Sollten wir uns nicht vielmehr intensiv damit auseinandersetzen, um wenigstens einiges abzuklären?

Wer, wenn nicht wir?

 

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„Galilei zeigte, dass man sich auf intuitive Schlüsse, die auf unmittelbarer Beobachtung beruhen, nicht immer verlassen kann, da sie manchmal auf die falsche Spur führen.“
Albert Einstein (16)